In einem ausgebauten Souterrain mitten in der Hamburger Sternschanze tüftelten drei Gründer einst an einer App, die das Einkaufsverhalten revolutionieren sollte. Der Raum war eng, das WLAN wackelig, der Kaffee lauwarm – aber die Energie war spürbar. Heute ist die Adresse leer. Das Start-up gibt es noch, aber nicht mehr in der Stadt.
Die Mietkosten wurden zur Bedrohung, gegen die kein Businessplan half. Ein Szenario, das in vielen deutschen Städten kein Einzelfall mehr ist, sondern zum Muster wird. Doch wie kann man diese Herausforderung als Jungunternehmen oder Start-Up meistern?
Wenn die Innenstadt unbezahlbar wird
Was früher als Garant für Erfolg galt – die zentrale Lage, der direkte Zugang zu Partnern, Investoren und potenziellen Kunden – ist heute ein zunehmend exklusives Gut. Wer als junges Unternehmen in Innenstadtlagen Fuß fassen will, zahlt nicht nur für den Raum, sondern auch für Prestige. Doch Prestige zahlt keine Gehälter. Für viele Start-ups bedeutet die Innenstadt inzwischen: zu teuer, zu eng, zu unsicher.
In Berlin-Mitte etwa, traditionell ein Magnet für kreative Köpfe, klettern die Gewerbemieten in manchen Kiezen auf über 30 Euro pro Quadratmeter – kalt, versteht sich. Ein kleines Büro von 100 Quadratmetern schlägt da schnell mit mehr als 3.000 Euro pro Monat zu Buche.
Und das, bevor Strom, Nebenkosten oder Internet auch nur ansatzweise berücksichtigt wurden. Für Unternehmen, die noch keinen stabilen Cashflow generieren, wird der Traum vom urbanen Standort so zur Zwangsjacke.
Immer mehr Start-ups wandern ab – in Randlagen, in ländliche Gebiete oder gleich ins Ausland. Die einst so lebendigen Start-up-Cluster in den Stadtzentren beginnen auszudünnen. Was bleibt, sind die großen Player – oder leere Schaufenster.
Wer ein Online-Business gegründet hat, kann sich glücklich schätzen, denn dieser Typ von Unternehmen ermöglicht es, regional flexibel zu agieren. Ohne an teure Innenstadtbüros gebunden zu sein, lassen sich kreative Teams von überall aus koordinieren, und die geografische Distanz zu potenziellen Kunden oder Partnern wird durch digitale Tools nahezu irrelevant.
Mietkaution und Unternehmensliquidität
Zu der regelmäßigen, hohen Miete, kommt ein weiterer, oft unterschätzter Kostenblock: die Mietkaution. Für viele junge Gründer schlicht nicht machbar. Und doch wird diese Summe bei Vertragsabschluss zur Pflicht, nicht zur Option.
Wer nicht zahlen kann, hat keinen Platz – so einfach, so hart. Dabei ist es nicht nur das Geld an sich, sondern die Liquidität, die fehlt. Kapital, das gebunden wird, steht nicht mehr für die eigentliche Geschäftsentwicklung zur Verfügung – für Mitarbeiter, Marketingkampagnen oder notwendige Technik.
Ein Dilemma, das sich besonders in der frühen Phase eines Unternehmens existenzbedrohend auswirken kann. Nach § 551 BGB darf die Mietkaution jedoch maximal drei Monatsmieten betragen, was eine gesetzliche Obergrenze darstellt. Eine Lösung, die sich zunehmend etabliert, sind Mietkautionsbürgschaften. Statt den Betrag bar zu hinterlegen, übernimmt eine Bank oder Versicherung die Sicherheit gegenüber dem Vermieter.
Der Mieter zahlt eine kleine Jahresgebühr – meist ein bis fünf Prozent der Kautionssumme – und behält seine finanziellen Spielräume. Eine flexible, liquide Lösung, die allerdings auch Vertrauen und Bonität voraussetzt. Nicht jedes Start-up erhält diese Unterstützung ohne Weiteres.
Stadtflucht als Innovationsbremse?
Dass viele Start-ups die Innenstädte verlassen, hat Folgen – nicht nur für sie selbst, sondern auch für das städtische Ökosystem. Denn gerade diese jungen, dynamischen Unternehmen sorgten einst für den frischen Wind in Quartieren, die vorher vom Leerstand geprägt waren. Jetzt kehrt sich die Entwicklung um.
Dort, wo früher Gründerlabore, Makerspaces und Agenturen neue Ideen ausbrüteten, entstehen nun sterile Bürogebäude für Großunternehmen oder es wird luxussaniert – mit dem Ergebnis, dass urbane Innovationskultur Stück für Stück verschwindet.
Aber was heißt das für die Gründerkultur? Verliert sie ihren Nährboden, wenn der urbane Raum ihr entgleitet? Oder entstehen an neuen Orten – fernab der Innenstadt, vielleicht sogar fernab der Stadt – neue Kreativzentren? Coworking auf dem Land, Netzwerken im Grünen, hybride Arbeitsmodelle zwischen Homeoffice, Remote Work und punktueller Präsenz. Die Pandemie hat viele Türen geöffnet. Die Frage ist nur, ob wir sie auch durchschreiten.
Zwischen Hightech, Hype und Alltag
Start-ups in Städten wie München, Frankfurt oder Köln stehen nicht nur im Schatten hoher Mieten. Sie konkurrieren auch mit etablierten Großunternehmen, die nicht nur zahlungskräftiger sind, sondern auch bei der Mitarbeiterbindung ganz andere Karten auf den Tisch legen können. Dienstwagen, Kinderbetreuung, Fitnessstudio. Junge Unternehmen dagegen müssen mit Vision, Flexibilität und flachen Hierarchien punkten – was in einem beengten Zwei-Zimmer-Büro mit bröckelnden Wänden manchmal wenig sexy wirkt.
Besonders schwer haben es dabei Tech-Start-ups, die auf qualifiziertes Fachpersonal angewiesen sind. IT-Fachkräfte sind rar, heiß begehrt und in Großstädten häufig längst von Konzernen umgarnt. Wer hier mithalten will, muss kreativ werden. Beteiligungsmodelle, Purpose-orientierte Unternehmenskultur und Remote-Arbeit sind oft der einzige Weg, Talente zu gewinnen und zu halten.
Räume für Ideen, nicht nur für Mieter
Der Ausweg aus der Mietfalle liegt nicht nur in Bürgschaften oder Alternativstandorten. Es braucht strukturelle Veränderungen – auf politischer wie wirtschaftlicher Ebene. Städte könnten gezielt Flächen für Gründer subventionieren, Leerstand in Innovationszentren umwandeln oder Zwischennutzungen fördern. Ein Beispiel für eine solche Unterstützung ist die Förderung von Innovationszentren und Reallaboren durch die Bundesregierung.
Diese Einrichtungen bieten Start-ups nicht nur kostengünstige Büroflächen, sondern auch wichtige Infrastruktur, Beratung und Netzwerkmöglichkeiten. Diese Maßnahmen gehören zur Start-up-Strategie der Bundesregierung, die gezielt darauf abzielt, Gründern den Zugang zu Ressourcen zu erleichtern.
Denkbar wären auch öffentliche Programme, die Kautionen für Start-ups mit tragfähigem Geschäftsmodell übernehmen – vergleichbar mit Gründungszuschüssen, aber zielgerichteter.
Denn wenn man etwas aus der jüngeren Wirtschaftsgeschichte gelernt hat, dann dies: Die nächste große Idee beginnt selten im elften Stock eines Glaspalasts. Sie entsteht dort, wo Raum für Risiko bleibt, für Experimente, für unkonventionelle Wege. Und dafür braucht es Orte, die mehr bieten als nur Quadratmeter. Sie brauchen Vertrauen, Offenheit und finanzielle Zugänglichkeit.
Raum ist nicht gleich Raum – und Erfolg braucht Luft zum Atmen
Die Zukunft der Start-up-Kultur in Großstädten steht auf der Kippe. Hohe Mieten, starre Verträge und finanzielle Barrieren drücken junge Unternehmen buchstäblich an den Rand – manchmal im geografischen, oft im wirtschaftlichen Sinne. Doch das muss nicht das Ende sein.
Wer umdenkt, flexibel bleibt und neue Finanzierungsmodelle wie Mietkautionsbürgschaften nutzt, kann auch außerhalb der Hochglanzlagen Erfolg haben. Die große Idee braucht nicht das große Büro, aber sie braucht Raum zum Wachsen. Und den müssen wir wieder schaffen.